Expedition in die Vergangenheit: Das älteste Taufbuch von St. Nikolai

Expedition in die Vergangenheit: Das älteste Taufbuch von St. Nikolai

Expedition in die Vergangenheit: Das älteste Taufbuch von St. Nikolai

# Museum

Expedition in die Vergangenheit: Das älteste Taufbuch von St. Nikolai

Das Tauffest am 12. Juli gab uns im Kirchenmuseum Spandovia Sacra Anlass, das älteste Taufregister unserer St.-Nikolai-Gemeinde öffentlich zu präsentieren. Wir – d.h. unser ehrenamtliches Team und die Museumsleitung – holten das kostbare Exemplar, das die Signatur Nik0797 trägt, aus dem Depot. Und dann taten wir das, was wir in einem solchen Fall immer tun: Wir schauten uns das Buch, das den Zeitraum 1606 bis 1622 umfasst, genau an und diskutierten unsere Beobachtungen. Diesmal allerdings ließen wir das zahlreich erschienene Publikum an unserer Expedition teilnehmen.

Der Pfarrer zieht Bilanz
Zunächst fiel auf, dass hier nicht nur die Taufen, sondern auch die Beerdigungen aufgelistet sind. Am Ende eines jeden Jahres zog der Pfarrer Bilanz: Wie viele Geburten stehen wie vielen Sterbefällen gegenüber? Eine Spandauer Bevölkerungsstatistik und Standesämter gab es noch nicht. Die Eintragungen erfolgten chronologisch, unabhängig von Stand, Geschlecht und Vermögen. Täufling, Eltern, Pfarrer, Paten und oft auch die Hebammen wurden erfasst. So dienen Kirchenbücher, neben Rechnungsbüchern, als wertvolle historische Quelle. Wir reisten durch das erste Viertel des 17. Jahrhunderts. Aus den nüchternen Notizen entstanden in unseren Köpfen Bilder von Pest, 30-jährigem Krieg, großer Teuerung, Aufruhr, aber auch von prächtigen Festen.

Eine eigene Magie
Ebenso aussagekräftig wie der Inhalt war der Umschlag des Taufregisters, der eine ganz eigene Atmosphäre entfaltete und uns weitere 150 Jahre zurück in die Vergangenheit führte. Als Einbandwerkstoff dient hier nämlich eine spätmittelalterliche Notenhandschrift. Im Zuge der Reformation hatten viele liturgische Manuskripte ihre Funktion verloren, Kirchengemeinden traten zum evangelischen Glauben über und die Bedeutung des Lateinischen in der Kirche wurde zurückgedrängt. Die scheinbar wertlosen Pergamente wurden als Heftung von Kirchenrechnungen oder als schützender Einband für Kirchenbücher zweckentfremdet. 

Libera me de ore leonis
Schon bei der Vorbereitung hatte unsere musikkundige ehrenamtliche Archivhelferin die Makulatur als Fragment eines Gregorianischen Chorals aus der Mitte des 15. Jahrhunderts identifiziert. Die Musik ist noch in der typischen Hufnagelnotation aufgeschrieben. Der lateinische Text wies uns den Weg zum Palmsonntag mit Palmweihe, Prozession und Messe. Dank moderner Technik konnten wir die feierlichen Gesänge hören und die sie begleitenden dramatischen Handlungen (Einzug Jesu in Jerusalem) nachvollziehen. So erlebten unsere Gäste und wir, welche kulturelle Energie in diesem historischen Schatz, der in unserem Archiv aufbewahrt wird, steckt.

Sabine Müller

Dieser Text erschien zuerst in der Herbstausgabe 2025 des Gemeindebriefs von St. Nikolai Berlin-Spandau.

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