02/07/2024 0 Kommentare
Museum Spandovia Sacra: Arbeitsbericht 2021
Museum Spandovia Sacra: Arbeitsbericht 2021
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Museum Spandovia Sacra: Arbeitsbericht 2021
Das Undenkbare ist geschehen! Das, was wir vor Jahresfrist kaum für möglich gehalten haben, ist eingetreten: Wir leiden immer noch unter der Covid-19-Pandemie! Seit fast zwei Jahren! Inzwischen sind allein in Deutschland mehr als 110.000 Menschen der Krankheit zum Opfer gefallen. Und wir befinden uns in einer großen fünften Infektionswelle, die durch eine neue Virusvariante befeuert wird. Kein guter Start für das neue Jahr.
Doch blicken wir hier zurück auf das alte: Neben den Einschränkungen, die durch das Seuchengeschehen verursacht werden, behindert nach wie vor die große Baustelle auf dem Reformationsplatz unseren Arbeitsalltag (seit Juli 2020).
Trotz dieser Widrigkeiten konnte das Museum auch im Jahr 2021 seinen Kernaufgaben (Sammeln, Bewahren, Erforschen und Vermitteln) gut nachkommen. Hier ein Überblick in gebotener Kürze; dabei wird eine Wiederholung der Ausführungen vom Arbeitsbericht 2020 vermieden. Viele grundsätzliche Informationen von damals gelten auch für den aktuellen Report:
Sammeln
Wiederum erhielten wir einige Objekte aus Privatnachlässen übereignet, vor allem Bücher. Unser Platz ist beschränkt, so dass wirklich nur Dinge aufgenommen werden, die zu 100 Prozent in unser Sammlungsprofil passen. Ankaufgelder sind grundsätzlich nicht vorhanden. Überproportional im Vergleich zu den Vorjahren wuchs unser Archiv. Die Menschen haben wegen der Maßnahmen zur Seuchenbekämpfung mehr Zeit, sie räumen ihre Unterlagen auf und schon liegen bei uns Aktenordner zur Archivierung. Die Dokumente werden archivfähig aufbereitet, indem u. a. Plastik-und Metallteile sorgfältig entfernt werden. Anschließend werden die Archivalien nach dem Aktenplan für Kirchengemeinden in unseren digitalen und analogen Findmitteln verzeichnet und finden in Archivkästen aus ungesäuertem Karton ihre „letzte Ruhe“, bis sie von fleißigen Forscher*innen zu Rate gezogen werden. Ein zweiköpfiges ehrenamtliches Archivteam unterstützt mich dankenswerterweise bei diesen Arbeiten.
Bewahren
Da alle öffentlich zugänglichen Räume und auch die nicht öffentlichen Depots der Spandovia Sacra die erforderlichen Standards für Museen erfüllen, verblieben „nur“ die regelmäßig vorzunehmenden Reinigungsarbeiten. Aufwendige Restaurierungen fielen 2021 nicht an.
Erforschen
Vieles, was zum Feld „Erforschen“ zählt, ergibt sich aus der Kooperation mit den Archiv- bzw. Bibliotheksnutzern. Dazu sind weitere Beispiele unter dem Punkt „Bibliothek“ zu finden. Hier möchte ich nur zwei thematische Forschungsbezüge unserer Einrichtung nennen:
Zum einen initiierte ich am Jahresbeginn eine Citizen-Science (= Bürgerwissenschaften)-Gruppe. Über Internet und Gemeindebrief warb ich um Ehrenamtliche, die Spaß daran haben, handschriftliche Dokumente unseres Archivs in gut lesbare Texte umzuwandeln. Insgesamt fanden sich zehn (!) Interessierte, die mit unterschiedlicher Vorbildung und in verschieden großen Anteilen das zweibändige „Journal über die Führung des Baues der St. Nicolai Kirche zu Spandow“ aus den Jahren 1838/39 transkribierten. Näheres findet sich im Gemeindebriefartikel „Ein denkwürdiges Ereignis. Ehrenamtliche entziffern Bautagebuch aus der Schinkel-Zeit“ (Ausgabe 2021/3, 25ff.). Die Zusammenarbeit fand wegen der Pandemie digital statt; am 21.7. lernten wir uns „in echt“ kennen.
Als zweites Beispiel soll die Zusammenarbeit mit dem Stadtgeschichtlichen Museum Spandau dienen. Wie fast alle Berliner Regional- und Bezirksmuseen ist dieses an dem vom Berliner Kultursenat unterstützten Projekt „Kolonialismus begegnen. Dezentrale Perspektiven auf die Berliner Stadtgeschichte“ beteiligt. In diesem Kontext wurden auch die Bestände unseres Museums Spandovia Sacra gesichtet. Auf besonderes Interesse stießen die sowohl in der Bibliothek als auch im Archiv hinterlassenen Papiere des Spandauer Missionsvereins.
Bildung und Vermittlung
Erneut wurde dieses Arbeitsfeld stark von den Auswirkungen der Pandemie betroffen. Das Jahr 2021 begann, wie 2020 endete - im coronabedingten Lockdown. Die traditionelle Krippenausstellung konnte daher nur im Internet gezeigt werden. Das ehrenamtliche Team und ich setzten dies in Form eines Online-Adventskalenders um, der auf großes und freudiges Interesse bei vielen Menschen stieß. Erst im Mai durften unsere Ausstellungsräume wieder für das Publikum geöffnet werden. Allerdings bieten sich die kleinen Räumlichkeiten nicht für den fließenden Besuchsverkehr an, so dass nach wie vor eine Terminvereinbarung für die Besichtigung nötig ist (Stand Ende 2021). Ausnahmen bildeten die Adventswochenenden 2021, an denen die Museumstüren für Spontanbesuche unter 2G-Plus-Bedingungen (geimpft oder genesen plus FFP2-Maske) offenstanden. Auch hier unterstützten mich die Ehrenamtlichen maßgeblich. Im Winter 2021/2022 läuft der Ausstellungsbetrieb zweigleisig: Die Krippen- und Adventskalenderausstellung wird analog im Museum gezeigt; Führungen für Gruppen werden angeboten. Allerdings ist das Besuchsgeschehen in Pandemiezeiten mit dem Wort „verhalten“ zu beschreiben. Parallel wurde wieder ein digitaler Adventskalender, diesmal mit nostalgischen Grußkarten, geschaffen.
Im Verlauf des Jahres nahm die St.-Nikolai-Gemeinde den Führungsbetrieb in der Kirche wieder auf. Vor allem in der zweiten Jahreshälfte buchten Gruppen Führungen u. a. zu den Themen „Reformation“ (Kinder, Erwachsene), „Fontane“ (Literaturwissenschaftler) sowie „Mittelalter“ (Oberstufe) bei mir.
Einzelne Arbeitsbereiche
Auch hier jeweils nur eine Auswahl der Vorgänge:
Archiv
Nach Anmeldung und unter Einhaltung aller Vorschriften zum Infektionsschutz kann das Archiv in Präsenz genutzt werden. Die meisten Anfragen erreichten mich jedoch per eMail und wurden ebenso beantwortet. Die eine Hälfte davon stammte von Privatpersonen (vorwiegend Familienforschung), die andere stand in beruflichen Zusammenhängen (Denkmalpflege, Kunstgeschichte, Architektur, Reformation, Kolonialismus u. a.).
Bibliothek
(Hier finden Sie weitere Informationen über die Kirchenbibliothek von St. Nikolai Spandau.)
In langfristiger Präsenz wertete eine Literaturwissenschaftlerin Ehelehren des 16. und frühen 17. Jahrhunderts in unserer Bibliothek für ihre Forschungen aus. Hier geht es - einfach ausgedrückt - um ein modern(er)es Verhältnis zwischen Mann und Frau.
Der Berliner Kirchenhistoriker Dr. Andreas Stegmann setzte seine Forschungen zum Thema „Pest in Brandenburg“ fort. Unter anderem übersetzte er Ernst Reuchlins d.Ä. „Amuletum contra pestilentiae contagionem“ ins Deutsche. Das Exemplar in unserer Bibliothek ist das einzige in Deutschland nachgewiesene und enthält eine kurze Passage über Martin Luther und seinen Umgang mit der Pest. Stegmann veröffentlichte inzwischen drei wissenschaftliche Artikel darüber. Über diese Vermittlung wurde eine Abbildung unseres Textes in die Ausstellung „Pest. Eine Seuche verändert die Welt“ (20.08.2021-20.02.2022 im Augusteum Wittenberg) aufgenommen.
Prof. Dr. Ralph Brennecke, unser ehrenamtlicher Bibliotheksherkules (vgl. Arbeitsbericht 2020), konnte seine mehrjährige Aufgabe, alle in unserer Bibliothek vorhandenen Bücher auch als elektronisches Medium vorrätig zu halten, im Dezember 2021 abschließen. Leider! - denn er hat beschlossen, sich nun in den Ruhestand zu begeben. Das Museum ohne Brennecke wird ein anderes sein.
Was gab es noch im Jahr 2021?
Erfahrungsbericht über das VD 16 und VD 17 auf Bitte der Staatsbibliothek zu Berlin in Vorbereitung einer Aufnahme in das VD 18 (Verzeichnis der im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke des 18. Jahrhunderts) ++ Teilnahme am „Projekt Landeskonzept für den Originalerhalt des schriftlichen Kulturguts in Berlin“ ++ Anfang Juni erhält unser Archiv einen „Gruß aus der Vergangenheit“. Die Epiphaniengemeinde in Westend (Berlin-Charlottenburg) hat aufgeräumt und schickt uns vier MOSAIKs (Zeitschrift der Jungen Gemeinde St. Nikolai) aus dem Jahr 1965 - Corona macht’s möglich. ++ Der Cafébetrieb und die Veranstaltungsreihe „Unterm Dach“ ruhten. Die Räumlichkeiten bieten wegen ihrer Enge zu wenig Möglichkeiten für einen ausreichenden Infektionsschutz. ++ Mitarbeitendenbesprechungen St. Nikolai ++ Kirchenmusik-und-Kultur-Ausschuss und Gemeindebeirat ++ Zuarbeit für die Gemeindebriefredaktion zuzüglich vier längere Artikel ++ Im Herbst das Buch „Berlin erlesen! Eine literarische Schatzsuche“ von Bernhard Hampp. Im Kapitel „Spandauer Geheimnisse“ wird die Arbeit unserer Bibliothek ausführlich vorgestellt. ++ Die Berliner Morgenpost berichtet am 15. Dezember in einem langen Artikel über „Spandaus seltene Schätze“, gemeint ist das Museum Spandovia Sacra. ++ 425. Todestag von Rochus Quirinus Graf zu Lynar, Artikel im Gemeindebrief 2021/04 (S. 26f.), Beitrag im Museumsblog sowie kollegiale Vernetzung mit dem Stadtmuseum Berlin und dem italienischen Geburtsort des in St. Nikolai beigesetzten prominenten Baumeisters (u. a. Zitadelle Spandau). ++ Andiamo per 2022!
Ich danke allen Mitarbeitenden − den Ehrenamtlichen und den Kolleg*innen der St.-Nikolai-Gemeinde − für ihre Mitwirkung. Ohne sie wäre die Arbeit im Museum Spandovia Sacra nicht zu leisten.
Museumsleiterin Sabine Müller, 31. Dezember 2021
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